Nachfolgende Informationen sind von Emile Seiler
(http://www.material.par-diddeleng.net/arbeitshilfen/willibrord/springproz.htm)
1. Wann ist die Springprozession entstanden?
Bald nach dem Tode Willibrords strömten Scharen von Pilgern zum Grab des
angel-sächsischen Glaubensboten, so dass im späten 8. Jahrhundert
eine größere Kirche gebaut werden musste. Abt Thiofrid (+1110) weiß
von großen Pilgermassen zu berichten, die jedes Jahr in der Pfingstwoche
zur letzten Ruhestätte des heiligen Willibrord wallfahrten.
Am 2. Januar 1246 gewährte Papst Innozenz IV. diesen Pfingstpilgern einen
Ablass. Das erste schriftliche Dokument über springende Pilger in Echternach,
die sog. "Springenheiligen", stammt aus einem Weistum (Aufzeichnung
einer alten Rechtsgewohnheit) von 1497. Darin wird von den Springergruppen wie
von etwas ganz Bekanntem gesprochen, so dass man die Anfänge des Springens
viel früher ansetzen darf. Springende Pilger in Echternach gab es wohl
schon am Anfang des 15. Jh. oder im 14. Jh., für das ähnliche Sprungtänze
auch anderswo bezeugt sind. Das erste Bilddokument ist ein Gemälde des
flämischen Malers A. Stevens aus dem Jahre 1604, das sich in der Willibrorduskapelle
der Echternacher Basilika befindet. Einige möchten die Springprozession
auf die Christianisierung heidnischer Bräuche zurückführen. Die
in jüngerer Zeit entstandene Sage vom langen Veit (der Geiger von Echternach)
verlegt den Anfang des Sprungtanzes in die Zeit des hl. Willibrord.
2. Wer hat das Springen eingeführt?
Heute gilt als ziemlich klar, dass das Springen im Rahmen der Bannprozessionen
aufkam. Die zur Abtei gehörenden Pfarreien mussten an den Pfingstfeiertagen
mit Kreuz und Fahne nach Echternach kommen und ihre Gaben (Weizen, Wachs, Geld
usw. ) abliefern. In einem Text aus dem 16. Jh. wird klar ausgesprochen, dass
die Pilger aus Waxweiler in Echternach einen Sprungtanz aufgeführt haben.
Wahrscheinlich standen also die Waxweiler an der Wiege der Echternacher Springprozession
; es heißt, sie hätten sich durch ein Gelübde zu dieser Wallfahrt
verpflichtet. Ihnen haben sich später andere Gruppen angeschlossen, so
dass eine regelrechte Prozession entstand. Bis zum Ende des 18. Jh. haben sich
grundsätzlich nur Männer am Springen beteiligt.
3. Wie wird gesprungen?
Es wird von einem Bein auf das andere gesprungen, indem man sich langsam vorwärts
bewegt. In den alten Berichten heißt es, man sei zur Seite hin gesprungen,
ein paar Schritte nach links, dann ein paar Schritte nach rechts. Diese Art
des Springens kann aber nur von kleineren Gruppen ausgeführt werden ; in
einer längeren Prozession ist es unmöglich. Es scheint gesichert zu
sein, dass ursprünglich nur vorwärts gesprungen wurde.
Allerdings, eine Prozession mit vielen Teilnehmern gerät manchmal ins Stocken
; dann muss "auf der Stelle" gesprungen werden. Dem Beobachter mag
der Prozessionsstrom so erscheinen, als flutete er vorwärts und rückwärts,
besonders wenn das Gelände etwas ansteigt. Tatsächlich haben Berichterstatter
des ausgehenden 18. Jh. die Ansicht einer Vorwärts- und Rückwärtsbewegung
der Echternacher Springprozession verbreitet. Andere haben dies immer wieder
abgeschrieben, so dass schließlich einige Prozessionsteilnehmer meinten,
es handele sich hier um die ursprüngliche Art des Springens.
So gab es im 19. Jh. und bis zum Verbot der Springprozession durch die Nazis
einzelne Gruppen, die vorwärts und rückwärts sprangen. Im Einklang
mit der gebräuchlichen Melodie ist diese Art des Springens, aus rhythmischen
Gründen, nur möglich, wenn 5 Schritte vorwärts und 3 Schritte
zurück, oder 3 Schritte vorwärts und 1 Schritt zurück gesprungen
wird. Seit 1945 wird ausschließlich vorwärts gesprungen. Berichterstatter,
die etwas anderes verbreiten, waren entweder nicht anwesend oder berichten gegen
besseres Wissen.
4. Welche Melodie liegt dem Springen zugrunde?
Die Melodie war anfangs eine ganz einfache Volksweise, die auf landläufigen
Instrumenten (Flöte, Leier, Trommel usw.) gespielt wurde. In der Fassung,
die um 1850 von einem Trierer Musiker komponiert wurde, ist die Weise des Volksliedes
"Adam hatte sieben Söhne" zu erkennen. Die Melodie wurde mit
der Zeit immer reicher gestaltet ; heute hat sie eine polkaähnliche Form.
5. Weshalb wird gesprungen?
In der Springprozession kann man den Ausdruck lebensbejahender Freude, aber
auch den Charakter inständiger Bitte leidgeprüfter Menschen erkennen.
Sie ist Gebet, Haltung des Menschen vor Gott ; nicht nur der Geist des Menschen,
sondern auch sein Körper ist einprägsam an diesem Gebet beteiligt.
Mit Recht wird gesagt : "Menschen, die mit den Füssen beten".
Willibrord wir angerufen gegen Fallsucht (Epilepsie). Davon ausgehend wird behauptet,
beim Springen werde das krankhafte Fallen nachgeahmt und die Fürsprache
des Heiligen bei Gott angerufen, um sich vor der Krankheit (manchmal "Echternacher
Krankheit" genannt) zu schützen, oder um andere, die von der Krankheit
befallen sind, durch Gottes Gnade zu befreien. Also eine Anwendung des Prinzips
:"Similia similibus curare", eine Art Heiltanz. Damit steht Willibrord
neben anderen Heiligen, die gegen Bewegungskrankheiten angerufen werden : Johannes
der Täufer (Johannistanz) oder Vitus/Guy (Veitstanz ; die Echternacher
Springprozession wird gelegentlich im Französischen "danse de Saint
Guy" genannt). Das Springen kann auch freudiger Ausdruck der Haltung des
Menschen vor Gott sein. Die Frömmigkeit hat im Laufe der Zeit viele verschiedene
Formen entwickelt : gemeinschaftliches Gebet, stille Betrachtung des einzelnen,
Lesen der Hl. Schrift, Anhören von Predigten und geistlichen Vorträgen
usw. Leider trat der Körper immer mehr in den Hintergrund. Zwar widerstrebt
körperliche Selbstzüchtigung dem heutigen religiösen Empfinden.
Aber der Mensch vor Gott ist ein Wesen von Fleisch und Blut. Auch der Körper
soll sich am Gottesdienst beteiligen dürfen. In anderen Kulturen spielt
der religiöse Tanz eine große Rolle. Bei uns dagegen hat auch die
neueste Liturgiereform dem Körper all zuwenig zu seinen Rechten verholfen.
Wollte man die theologische Bedeutung des Springens noch tiefer analysieren,
muss unbedingt darauf hingewiesen werden, dass die Springprozession ein intensives
Erleben von Gemeinschaft vermittelt. Man springt nicht für sich allein,
sondern in einer Gruppe, man hält sich gegenseitig (meist durch Taschentücher
verbunden) , man stimmt sich auf andere ab und folgt dem vorgegebenen Rhythmus
der Melodie, man scheut sich nicht vor körperlicher Anstrengung (Dauer
des Prozessionsweges : etwa 1 Stunde), man lässt sich nicht durch ungünstige
Witterungsverhältnisse abschrecken. Es fällt auf, dass besonders Jugendliche
von dieser Prozession begeistert sind. Wie jede Prozession ist auch die Springprozession
eine bildliche Darstellung des Gottesvolkes, das sich auf dem Weg befindet.
Man bleibt nicht beim Gewohnten stehen, sondern man bewegt sich auf ein Ziel
hin, man strebt nach Höherem, letztlich nach dem Leben in Gemeinschaft
mit Gott.
6. Versuche der Unterdrückung
Von staatlicher und kirchlicher Seite wurde gelegentlich versucht, die Springprozession
zu verbieten. Ein Dekret des Erzbischofs von Trier belegte 1777 das Springen
mit Verbot. Aber man hielt sich in Echternach nicht daran, genauso wenig wie
an das Verbot Kaiser Joseph II. von 1786. In der Französischen Revolution
musste die Springprozession einige Jahre unterbleiben. Nach dem Konkordat von
1801 lebte sie aber mit neuem Eifer auf. Seither können auch Frauen und
Mädchen sich beteiligen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die Prozession abermals
verboten ; nur kleine Gruppen konnten im Innern der Basilika springen. Aber
schon Pfingsten 1945 bahnte sich die Springprozession einen Weg durch Schutt
und Asche des schwer getroffenen Echternach.
7. Heutige Gestalt
Am Dienstag nach Pfingsten, im Anschluss an das Pontifikalamt in der Basilika,
hält der Bischof von Luxemburg eine Ansprache auf der Freitreppe des Ehrenhofes
der früheren Abtei. Die Sänger eröffnen die Prozession mit den
Anrufungen zum hl. Willibrord ; ihnen folgen Pilgergruppen aus den Niederlanden,
vom Niederrhein und anderen Verehrungsgebieten Willibrords. Einen Ehrenplatz
nehmen die Pilger aus dem Raum Prüm-Waxweiler ein. Die Prozession bewegt
sich durch den Abteihof zur Sauerbrücke hin, biegt dann in die Sauergasse
ein, zieht durch die Bergstrasse auf den Marktplatz, dann durch den oberen Teil
der Bahnhofstrasse und die Krämergasse zur Basilika ; man springt durch
die Kirche zur Krypta hinab, am Grab des Friesenapostels vorbei, und vor der
Basilika löst sich die Prozession auf. Die Feier wird beschlossen mit einem
eucharistischen Segen in der Basilika.
Im Jahre 1984 gab es, neben den rund 40 000 Zuschauern, etwa 12 000 Prozessionsteilnehmer.
46 Musikvereine mit über 1600 Musikanten spielten für 9000 Springer,
die sich in gleichmäßige Gruppen vor und hinter den Musikkapellen
aufteilten. Am Schluss der Prozession kam die lange Reihe der Prälaten,
Äbte und Bischöfe.
Emile Seiler